Seit mehr als 10 Jahren existiert in Österreich eine Ausbildungsgarantie. Jugendliche, die keine Lehrstelle gefunden haben, bekommen dort das Angebot einer überbetrieblichen Ausbildung. Nach einem Jahr wechseln sie in eine reguläre Lehre in der Wirtschaft oder erhalten am Ende der überbetrieblichen Ausbildung einen vollwertigen Abschluss. Forderungen, dieses Modell auch in Deutschland umzusetzen, finden keine Unterstützung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt.

„De facto haben wir bereits eine Ausbildungsplatzgarantie, da statistisch jedem Schulabgänger mindestens eine Ausbildungsstelle in Nord-, Mittel- und Westthüringen angeboten werden kann“, zeigt sich Thomas Fahlbusch, Abteilungsleiter Aus- und Weiterbildung bei der IHK Erfurt, von der Bertelsmann-Studie wenig überzeugt. Mit statistischen Berechnungen wollten die Autoren belegen, dass Deutschland durch die Einführung einer solchen Garantie bis zu 20.000 zusätzliche Fachkräfte gewinnen kann. „Die Realität im Nachbarland sieht anders aus: Trotz der gesetzlichen Regelung gibt es in Österreich eine höhere Jugendarbeitslosigkeit. Es kommt daher vor allem darauf an, möglichst passgenau Fachkräfte auszubilden, die Unternehmen und Arbeitsmarkt tatsächlich benötigen“, so Fahlbusch.

Zudem existiere in Deutschland bereits eine Ausbildungschancengarantie, die vom Engagement der Akteure lebt: In der Allianz für Aus- und Weiterbildung würde jedem ausbildungsinteressierten Menschen ein Weg aufgezeigt, um ihn frühestmöglich zu einem Berufsabschluss zu führen. „Jugendliche, die bis Ende September noch keinen Ausbildungsplatz haben, erhalten drei Angebote für eine betriebliche Ausbildung – wenn auch nicht immer im Wunschberuf“, erläutert der IHK-Bildungsexperte die Vorgehensweise.

Bereits jetzt kann rund jedes zweite IHK-Unternehmen offene Stellen nicht besetzten. Der Umweg über eine außerbetriebliche Ausbildung würde zunächst dazu führen, dass weiterhin zahlreiche betriebliche Ausbildungsplätze unbesetzt blieben. „Die Wirtschaft kann und will direkt ausbilden – lediglich die Bewerber fehlen. Daran ändert auch eine Ausbildungsgarantie nichts“, ist Fahlbusch überzeugt.

Kurzfristig müsse es auch in diesem Lehrjahr darum gehen, Jugendliche und Betriebe passgenau zusammenzubringen, was durch Corona in den letzten Monaten nicht einfach war. Im Rahmen einer Allianz für Aus- und Weiterbildung hat die IHK Erfurt daher den „Sommer der Berufsausbildung“ ausgerufen und organisiert bis in den Herbst hinein verschiedene Aktionen. Zusätzlich sprechen die Thüringer Unternehmen Jugendliche über die Plattform www.deine-ausbildung-in-thueringen.de direkt an. Allein in der IHK-Lehrstellenbörse der IHK Erfurt gibt es unter www.ihk-lehrstellenbörse.de derzeit noch rund 400 Ausbildungsangebote in Nord-, Mittel- und Westthüringen für den Start in diesem Jahr.

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