Ein Foto aus dem Jahr 1976 vom Haus der Dienste in Leinefelde. (Aus der Sammlung von Dr. M. Kruppe)

In Kürze soll der Gebäudekomplex des einstigen Versorgungszentrums am Zentralen Platz mit der HO-Kaufhalle „Blaues Wunder“, dem „Haus der Dienste“, dem Friseur- und Kosmetiksalon der PGH „Moderne Linie“ sowie der Stadtbibliothek abgerissen. Für die Einen verschwindet damit ein jahrlanger Schandfleck, für die Anderen ein halbes Jahrhundert Wirtschaftsgeschichte des Eichsfelds. Dr. Michael Kruppe schreibt wie alles mit dem Haus der Dienste (Teil 1) begann :


Das so genannte „Haus der Dienste“ wurde am 1. August 1973 als zweites Teilstück des
neuen Versorgungszentrums von Leinefelde feierlich eröffnet. Es befand sich direkt neben der
HO-Kaufhalle „Blaues Wunder“ und gehörte dem VEB Dienstleistungsbetrieb Worbis. Unter
der Leiterin Frau Findeklee bot das „Haus der Dienste“ den Kunden eine zweistellige Anzahl
von Dienstleistungen an, welche im Laufe der Jahre immer weiter anstieg. Diese verteilten
sich auf sieben Kernbereiche:

1980er Jahre – (Aus der Sammlung von Dr. M. Kruppe)
  • Textilreparaturen (Repassieren, Änderungsschneiderei, Kunststopfen,
    Schirmreparaturen und Oberhemdenreparaturen)
  • Lederreparaturen (Schuhreparaturen, Sattler- und Täschnerreparaturen sowie
    Lederhandschuhreparaturen)
  • Schleifarbeiten (Schärfen von Messern, Scheren usw.)
  • Elektroreparaturen (Waschmaschinen, Wäscheschleudern, elektrische Haushaltsgeräte,
    Fernsehgeräte, Rundfunkgeräte etc.)
  • Uhrenreparaturen
  • Spielwarenreparaturen
  • Chemische Reinigung und Färben (Schnellreinigung, Wäscheannahme)

Da das „Haus der Dienste“ als so genannte „Komplexannahmestelle“ konzipiert war, wurden
die angebotenen Dienstleistungen nicht im Haus selbst erbracht, sondern lediglich
Kundenaufträge entgegengenommen und von Subunternehmen des VEB
Dienstleistungsbetriebs Worbis ausgeführt. Diese stammten aus dem gesamten Bezirk Erfurt,
wodurch die Bearbeitungszeiten wenige Tage bis mehrere Monate dauern konnten. Bei
bestimmten Reparaturen war es möglich, Ersatzgeräte wie Bügeleisen, Staubsauger, Radios,
Wecker und andere Haushaltsgeräte auszuleihen.

Seit dem 1. November 1974 gab es eine Kundendienstzentrale. Hier konnten Aufträge telefonisch entgegengenommen oder weitervermittelt werden. Davon profitierten jedoch nur wenige Kunden. Zum Zeitpunkt des Mauerfalls hatte ungefähr nur jeder 10. Privathaushalt in der DDR ein Telefon.

Das „Haus der Dienste“ gab in seiner Außendarstellung immer vor, sich nach den Bedürfnissen der Kunden zu richten. Als Beweis dafür wurden z.B. die Öffnungszeiten angeführt. Es hatte montags bis freitags durchgehend von 5.15 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet. In der Realität sorgten lange Wartezeiten und schlechter Service jedoch von Anfang an für Verärgerung bei den Kunden.

Folgendes Beispiel zeigt dies anschaulich. Bereits am 20. Oktober 1973 erschien im Lokalteil Worbis der Tageszeitung „Das Volk“ ein wütender Leserbrief von Frau Gertrud Schiller aus Leinefelde. Darin heißt es: „Am 14. August 1973 gab ich im Dienstleistungszentrum Leinefelde Bettwäsche zum Waschen. Ich erkundigte mich und erfuhr, daß die Rücklieferung zwei bis drei Wochen dauern würde. Leider wurde ich bitter enttäuscht, denn inzwischen sind acht Wochen vergangen, ohne daß ich etwas von meiner Wäsche gesehen habe. Nach der 7. Woche schrieb ich dem
Auftragnehmer VEB „Waschbär“ Mühlhausen. Ich teilte dem Betrieb mit, daß ich in der
kommenden Woche meine Wäsche zurückholen möchte, oder ich würde Anspruch auf
Schadenersatz stellen. Bis heute habe ich noch keine Antwort erhalten. Eines steht für mich
fest, meine Wäsche wasche ich in Zukunft immer selbst, denn das hat wirklich nichts mehr mit
Dienstleistung zu tun. Ich bin nur neugierig, wann ich endlich meine Wäsche zurück erhalte.“

Am 9. August 1988 gab die Tageszeitung „Das Volk“ freudig bekannt, dass sich im „Haus der
Dienste“ nun eine Ladenreinigung befände, wodurch die Wartezeiten „nicht länger als ein
ausgedehnter Einkaufsbummel“ dauern würden. Die Reinigung von Kleidungsstücken
innerhalb von zwei Stunden kostete demnach 5 Mark, innerhalb von sechs Stunden 4 Mark
und bei 24 Stunden nur 3 Mark. „Wer länger warten kann, braucht nur 2,75 Mark zu
bezahlen.“, heißt es dort weiter. Als Begründung für diese Erweiterung des
Dienstleistungsangebots erklärte man den Lesern, „Fast ein Vierteljahr musste der Kunde
früher warten, bis er seine Sachen zurückbekam. Denn gereinigt wurde im Dienstleistungsbetrieb Nordhausen und in einer PGH im Kreis Mühlhausen. Die Fahrtkosten waren für unseren Dienstleistungsbetrieb enorm.“

Dr. Michael Kruppe

(Teil 2 „Haus der Dienste“ folgt)

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