Ein Beitrag von Dr. Michael Kruppe

Ein Foto vom Haus Eichsfeld in den 80er Jahren aus der Sammlung von Dr. Kruppe.

Am Montag, den 7. Oktober 1963, wurde die HO-Gaststätte „Haus Eichsfeld“ in der
Birkunger Straße feierlich eröffnet. Sie war der erste Hotel- und Gaststättenneubau in
Leinefelde seit dem „Kaiserhof“ im Jahre 1875/76 und ihre Geschichte ist untrennbar mit der
Entwicklung des Ortes verbunden. Dr. Michael Kruppe lässt die 60 Jahre aus umfangreichen Recherchen Revue passieren:

Am 10. April 1961 erfolgte der erste Spatenstich zum Bau des VEB Baumwollspinnerei und Zwirnerei. Vier Monate später, am 24. August 1961, berichtete die Tageszeitung „Das Volk“ in ihrem Kreisteil Worbis von dem Vorhaben der Kreisbauleitung, neben dem neuen Industriegiganten eine Speisegaststätte für 900.000 Mark errichten zu wollen. Diese sollte bis zur Fertigstellung der Betriebsküche der „Spinne“ die Verpflegung der Bauleute übernehmen. Der Baubeginn war noch für das Jahr 1963 vorgesehen. Nach ihrer Fertigstellung sollten sich an die Gaststätte ein Hotel mit 60 Betten sowie ein Tanzkaffee und ein Blumenladen anschließen. Später kam noch eine Kegelbahn hinzu.

Das „Haus Eichsfeld“ wurde vom HO-Kreisbetrieb Worbis bewirtschaftet und besaß 260
Sitzplätze. Es bestand hauptsächlich aus einem großen Raum, der mittels einer Schiebetür in
zwei Räume getrennt werden konnte. Auf Grund ihrer flexiblen Möglichkeiten diente die
Gaststätte jedoch auch als Austragungsort für verschiedene betriebliche, gesellschaftliche und
kulturelle Veranstaltungen.

Am Montag, den 4. November 1963, fand z.B. ein festliches Konzert mit der Musikschule Leinefelde darin statt. Der Deutsche Fernsehfunk der DDR machte davon Filmaufnahmen, welche am 21. November 1963 in der Sendung „Unterwegs zwischen Warnow und Werra“ gezeigt wurden. Eine große Zeitungsannonce kündigte das Konzert am 2. November 1963 in der Presse an.

Am Donnerstag, den 10. September 1964, tagte der Worbiser Kreistag im „Haus Eichsfeld“.
Das war eine Besonderheit, denn normalerweise fanden diese Parlamentssitzungen immer alle
zwei Monate im Kulturhaus Worbis statt. Bei dem Treffen am 10. September 1964 ging es
vor allem um den gegenwärtigen Stand der Baumaßnahmen in Leinefelde und die damit
verbundenen Probleme.

Foto aus einer Ansichtskarte aus dem Jahr 1981 aus der Sammlung von Dr. Michael Kruppe.

In der Bevölkerung erfreute sich das „Haus Eichsfeld“ schnell großer Beliebtheit, denn nicht
nur die Mitarbeiter der „Spinne“ gingen nach Schichtende gern dort hin, um ihren Feierabend
ausklingen zu lassen. Auch Reisegruppen von Außerhalb machten Ausflüge in das Lokal.
1981 erschien im Verlag „Bild und Heimat“ aus Reichenbach im Vogtland eine
Mehrbildpostkarte von Leinefelde. Diese zeigt eine Fotoaufnahme vom „Haus Eichsfeld“ aus
den späten 1960er bzw. frühen 1970er Jahren. Bei genauerem Hinsehen erkennt man eine
Reisegruppe, welche gerade aus dem Bus ausgestiegen ist und zur Gaststätte läuft. Ein
anderer Teil der Reisenden wartet bereits im Eingangsbereich.

Artikel aus „Das Volk“ vom 1. November 1984. Diskosprecher qualifizierten sich bei einer Veranstaltung im Haus Eichsfeld.

Von 1963 bis 1984 war das „Haus Eichsfeld“ mit seinen 60 Betten das größte Hotel von
Leinefelde. Dies änderte sich im September 1984, als der HO-Kreisbetrieb Worbis das „Hotel
am Stadion“ in der Otto-Grotewohl-Straße 23 (heute Hahnstraße) eröffnete. Es verfügte über
140 Betten und war ein lang ersehnter Wunsch der Leinefelder Bevölkerung. An dritter Stelle
stand das in Privatbesitz befindliche „Hotel am Bahnhof“ (genannt BEFULEI) in der
Bahnhofstraße 36 (heute Volksbank-Filiale) mit maximal 20 Betten. Weitere gewerbliche
Übernachtungsmöglichkeiten gab es nur noch in verschiedenen Gasthäusern der Leinefelder
Altstadt, allerdings in sehr begrenzter Zahl.

Den rasanten Untergang der DDR nach dem Mauerfall am 9. November 1989 konnte das
„Haus Eichsfeld“ deutlich besser überstehen als andere gastronomische Einrichtungen in
Leinefelde. Durch das Treuhandgesetz vom 1. März 1990 gingen der HO-Kreisbetrieb Worbis
und seine Immobilien in den Besitz der neuen Treuhandanstalt über. Am 18. Mai 1990
erfolgte seine Umbenennung in „Kaufpunkt Eichsfeld GmbH“. Diese versuchte zunächst, das
„Haus Eichsfeld“ weiter zu betreiben. Durch das Volkskammer-Gesetz zur Entflechtung des
Handels in den Kommunen vom 6. Juli 1990 sollten jedoch alle bisherigen HO-Einrichtungen
bis zum 31. Juli 1990 zum Verkauf ausgeschrieben werden und die Entflechtung bis zum 30.
September 1990 abgeschlossen sein. Paul Hunold wurde auf diese Weise neuer Inhaber vom
„Haus Eichsfeld“ und blieb es bis zum 30. April 2023.

Im Sommer 1991 gab die Stadt Leinefelde die Infobroschüre „Leinefelde – „Einfallstor ins
Eichsfeld““ heraus. In einer Firmenanzeige auf Seite 10 wirbt das „Haus Eichsfeld“ mit
seinem Restaurant, einem Gesellschaftszimmer bis 50 Personen, einer Kegelbahn sowie
Billard-Möglichkeiten. Wie sich bald zeigen sollte, bedurfte es gar keiner Eigenwerbung,
denn das „Haus Eichsfeld“ stand zunehmend ohne Konkurrenz da. Nachdem das „Hotel amBahnhof“ 1991/92 geschlossen und an die Volksbank Eichsfeld eG verkauft worden war,
musste auch das „Hotel am Stadion“ wenige Jahre später seinen Betrieb einstellen. 2006
wurde es abgerissen. Damit stand das „Haus Eichsfeld“ seit Mitte der 1990er Jahre wieder an
erster Stelle, was die Hotelbettenkapazitäten anging.

Begleitet von zahlreichen Protesten veranstaltete die NPD in der Zeit vom 9. bis 10.
November 2004 in der Leinefelder Obereichsfeldhalle ihren Bundesparteitag. Stadt und
Landkreis waren damit Deutschland weit kompromittiert. Der Bundesparteitag machte zudem
noch ein anderes Problem sichtbar, welches bislang kaum Beachtung gefunden hatte: Die mit
Preisen überhäufte Stadt Leinefelde-Worbis verfügte nicht über genügend
Übernachtungsmöglichkeiten, um eine so große Anzahl von Besuchern bei sich zu
beherbergen. Alle Hotels und Pensionen im Umkreis von mindestens 15 km mussten deshalb
einspringen. Zwar verbot die Stadt am 13. Dezember 2005 die Nutzung der
Obereichsfeldhalle durch Parteien sowie parteinahe Stiftungen, was Jahre später wieder
aufgehoben wurde; aber das Übernachtungsproblem besteht bis heute und hat sich sogar noch
verschlimmert.

Im November 2022 wurde das „Haus Eichsfeld“ verkauft. Der neue Eigentümer wollte es
abreißen und dort Wohnungen errichten lassen. Gleichzeitig gab Paul Hunold bekannt, dass
das Hotel und die Gaststätte noch bis zum 30. April 2023 geöffnet seien. Der nebenan
befindliche Parkplatz, welcher der Stadt Leinefelde-Worbis gehörte, wurde Mitte Januar 2023
zum Verkauf ausgeschrieben. Nachdem das Objekt Ende März veräußert werden konnte,
schritt plötzlich die Kommunalaufsicht des Landkreises Eichsfeld ein. Sie prüfte den
Ausschreibungstext, da dieser möglicherweise sittenwidrig war. Der Käufer sollte sich
nämlich dazu verpflichten, die Parkfläche dem Eigentümer eines bestimmten angrenzenden
Grundstücks unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Zur Sicherung dieser Nutzung sollte er
eine entsprechende Dienstbarkeit im Grundbuch eintragen lassen. Nachdem die
Kommunalaufsicht ihre Prüfung abgeschlossen hatte und keine Beanstandungen feststellen
konnte, wurde der Kaufvertrag rechtskräftig. Somit steht dem geplanten Bauvorhaben auf
dem Gelände nichts mehr im Wege. Der 60. Geburtstag vom „Haus Eichsfeld“ wird zugleich
sein letzter sein. Michael Kruppe

So präsentierte sich zum Schluss das Haus Eichsfeld. Foto: Ilka Kühn

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