Sehbehinderte Menschen benötigen häufig sehr teure Brillengläser, Kontaktlinsen oder Lupen. Der Festbetrag, den die Kasse bezahlt, soll für die medizinisch notwendige Versorgung ausreichen. Trotzdem müssen die Betroffenen oft hohe Zuzahlungen leisten. Nun sollen die Festbeträge erstmals seit zwölf Jahren angepasst werden – und zwar teilweise nach unten.

Erika W. ist sehbehindert, Diagnose: hohe Myopie – Kurzsichtigkeit, mit minus 14 Dioptrien auf jedem Auge. Für ihre Brille will die gesetzliche Krankenkasse pro Glas künftig einen Festbetrag von 86,71 Euro bezahlen. „Die Kasse behauptet, dass das ausreicht, um meine Spezialgläser zu finanzieren, ohne dass ich etwas zuzahlen muss. Nur leider verrät mir niemand, wo ich solche Gläser zu diesem Preis erhalte. Stattdessen bleibe ich auf einer Zuzahlung von knapp 600 Euro sitzen.“

So wie Erika W. ergeht es vielen sehbehinderten Menschen. In den Beratungsstellen der Selbsthilfeorganisationen berichten sie von Zuzahlungen im höheren dreistelligen Bereich, und zwar nicht wegen einer freiwillig gewählten Sonderausstattung, sondern schlicht, weil mit den Festbeträgen keine angemessene Versorgung möglich ist.

In den vergangenen zwölf Jahren hat der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) die Festbeträge nicht angepasst, nun sollen sie neu festgesetzt werden. Der Verbraucherpreisindex ist von 2008 bis 2020 um circa 15 Prozent gestiegen. Diese allgemeine Preissteigerung trifft auch auf die Versorgung mit Sehhilfen zu. Allein schon aus diesem Grund war eine deutliche Anhebung der Festbeträge zu erwarten.

Stattdessen sollen Festbeträge teilweise sogar abgesenkt werden, zum Beispiel für Standlupen mit Beleuchtung oder für bestimmte Prismen. Das würde die Situation sehbehinderter Menschen weiter verschlechtern, vor allem bei schweren Sehbeeinträchtigungen und komplexem Versorgungsbedarf.

Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV), der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) und PRO RETINA Deutschland engagieren sich gemeinsam in der jährlichen Informationskampagne „Woche des Sehens“.

Sie führen die zu niedrigen Festbeträge auf Fehler bei der Kalkulation zurück. Unter anderem werden Arbeitsaufwand und Betriebskosten der Augenoptikerinnen und Augenoptiker wie auch der Anspruch der Betroffenen auf eine qualifizierte Beratung nicht berücksichtigt. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die zur Bildung des Festbetrags genutzten Grundlagen, also die Materialpreise und die Kalkulation des Arbeitsaufwandes, nicht transparent offengelegt werden.

Vor diesem Hintergrund werden die Selbsthilfeorganisationen der sehbehinderten Menschen alle Möglichkeiten prüfen und nutzen, um eine deutliche Veränderung der Regelungen zu bewirken.