Max und Maria Näder im Jahr 1964

Wie jedes Jahr am 8. Februar schmücken Blumen das Familiengrab Näder auf dem Duderstädter Stadtfriedhof: Frische Mimosen zum 100. Geburtstag von Maria Näder. Ohne Zweifel zählt Maria Näder (1922-2005) zu den bedeutenden Duderstädter Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Fast sechs Jahrzehnte hat sie hier segensreich gewirkt.

An der Seite ihres Ehemannes – Duderstadts Ehrenbürger Dr.-Ing. E. h. Max Näder – hat sie in schwerer Nachkriegszeit den Neubeginn der Orthopädischen Industrie aktiv begleitet. Als Tochter des Firmengründers Otto Bock und als Mutter des heutigen Inhabers Prof. Hans Georg Näder war sie für drei Generationen der ruhende Pol des Familienunternehmens. Sie engagierte sich hinter den Kulissen für die Sorgen der Mitarbeiter ebenso wie für wichtige soziale Belange wie Patenschaften in SOS-Kinderdörfern.

Geboren wird Maria Bock am 8. Februar 1922 im thüringischen Königsee, dem Ort des Stammhauses der Otto Bock Orthopädische Industrie. Zusammen mit ihrer älteren Schwester Ursula erlebt sie „schöne Kindertage im Thüringer Wald, in preußisch-konservativer und christlich geprägter Umgebung“, wie sie später berichtet. Ihre Schulzeit an der Oberschule für Mädchen in Potsdam-Hermannswerder ist ein prägender Abschnitt in ihrem Leben als behütete Tochter. Dort hat sie „die preußischen Tugenden“ verinnerlicht, wie man in ihrem Buch „Briefe aus bewegten Zeiten“ nachlesen kann.

Zur gleichen Zeit absolviert der junge Max Näder zwischen Abitur und Maschinenbaustudium bei Ottobock eine Ausbildung zum Orthopädiemechaniker und wird Ende 1938 zum Wehrdienst eingezogen. Ab 1940 wird Maria Bock im väterlichen Betrieb zum Industriekaufmann ausgebildet (zu der Zeit gilt nur die männliche Berufsbezeichnung). Hier lernt sie Max Näder kennen. 1942 verlobt sich das junge Paar, und im August 1943 findet während eines Fronturlaubs die Hochzeit statt.

1945 verlässt Maria ihre thüringische Heimat, um ihren Ehemann in Hamburg wiederzusehen. Max Näders erstes Eintreffen in Duderstadt am 11. November 1945 wird zu einem oft zitierten legendären Moment der Firmengeschichte. Im Februar 1946 eröffnet Max Näder in der Marktstraße 71 die „Zweigstelle Nord“, und auf dem Euzenberg beginnt ein neues Kapitel der Ottobock Firmengeschichte. Die Halle 20 ist Betriebsstätte und Wohnung zugleich und auch Zufluchtsort für das Ehepaar Marie und Otto Bock, die nach der Enteignung 1948 Thüringen verlassen. 

Der Aufbau der Firma erfordert alle Kräfte des jungen Unternehmerpaares; Maria Näder ist als Sekretärin unersetzlich. In der 3-bändigen Firmenbiografie von Maria Hauff sind die Fakten nachzulesen. 

Am 4. September 1961 wird Sohn Hans Georg geboren, der heutige Eigentümer und Vorsitzende des Verwaltungsrats von Ottobock. Duderstadt und die Villa am Hindenburgring werden Maria Näders zweite Heimat, doch ihre Liebe zu Thüringen bleibt. Mit der Grenzöffnung beginnt ein neues Kapitel Lebens- und Firmengeschichte: 1990 besucht sie zum ersten Mal ihre Heimatstadt Königsee. Die Einweihung des wiedererworbenen Familienstammsitzes 1993 ist ein generationenübergreifendes Fest des aufstrebenden Weltmarktführers.

Maria Näder steht beispielhaft für ein erfolgreiches Familienunternehmertum mit traditionellen Werten. Privat und beruflich war sie über Jahrzehnte die verbindende Klammer zwischen bodenständiger Heimattreue und internationaler Orientierung. Als Grande Dame beherrscht sie souverän das elegante Parkett, ob in Cannes oder Arosa, und ebenso authentisch den mitmenschlichen Umgang im heimischen Eichsfeld. Selbstbewusste Ehefrau und fürsorgliche Mutter, großzügige Schwiegermutter und liebevolle, zärtliche Großmutter war sie in einer Person. Glücklich konnte sich schätzen, wer ihre zurückhaltende und liebenswürdige Gesprächsführung persönlich erleben durfte.  

Hans-Georg Näder: „Mutter Mia war als Tochter von Otto Bock und als Gesellschafterin die starke Frau an der Seite meines Vaters. Sie hat großen Anteil am Restart in Duderstadt, nach Flucht und Enteignung. Für mich war sie mit ihrem Stil, ihrem protestantischen Glauben, ihrem humanistischen und liebevollen Wertekanon eine prägende Mutterfigur. Oma Mia hat diese Werte früh an meine Töchter Julia und Georgia weitergegeben. Ihre Exzentrik scheint auch manchmal bei mir durch. I love it.“

„Meine Mutter war immer da, mit Herzenswärme. Fiel ein Kumpel beim Kicken in den Schlamm, bekam er saubere Shirts und Shorts – bevor es für die ganze Bande etwas zu essen gab. Ihr Engagement für die SOS Kinderdörfer hat mir den Weg gewiesen. Ihre Werte als evangelische Christin haben die Familie geprägt.“

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