Die deutsche Wirtschaft beurteilt sowohl ihre aktuelle Lage als auch den Ausblick auf das Gesamtjahr 2022 insgesamt negativer als vor dem Jahreswechsel. Das ist das Ergebnis der bundesweiten IHK- Konjunkturumfrage zu Jahresbeginn 2022 unter knapp 28 000 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen, die DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben am Freitag vorgestellt hat.

„Die Konjunktur hält die Luft an. In den Unternehmen herrscht zwar weiterhin eine vorsichtig optimistische Grundstimmung. Viele wissen aber wegen großer Unsicherheiten nicht, wie es weiter geht“, fasst Wansleben die Rückmeldungen aus den Industrie- und Handelskammern zusammen. „Wir sehen bei den wichtigsten Faktoren nach den Steigerungen des vergangenen Jahres eine Seitwärtsbewegung oder gar einen leichten Knick nach unten.“

So rechnet nur knapp ein Viertel der Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten mit besseren Geschäften. Der noch positive Saldo aus Betrieben mit höheren Erwartungen und denen mit schlechteren Aussichten hat sich damit im Vergleich zum Herbst des Vorjahres von zehn auf fünf halbiert. Aufgrund der deutlich gedämpften Rückmeldungen aus den Unternehmen passt der DIHK seine ursprüngliche Wachstumsprognose von 3,6 Prozent für das laufende Jahr auf 3,0 Prozent an.

“Damit werden wir das Vorkrisenniveau unserer Wirtschaftsleistung voraussichtlich erst zur Jahresmitte erreichen”, sagt Wansleben. “Die größten Belastungsfaktoren sind neben der Corona-Krise und Lieferengpässen vor allem die stark gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise sowie der Fachkräftemangel. Hinzu kommen weitere zu erwartende Kostensteigerungen durch die Transformation beim Klimaschutz.

Insbesondere für Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, ist noch offen, wie ein entsprechender Ausgleich funktionieren soll. Viele befürchten eine Verschlechterung ihrer Position auf den Weltmärkten. Denn der Standort Deutschland verlangt inzwischen mit die höchsten Energiepreise weltweit und liegt auch bei der Steuerbelastung für Unternehmen weit über dem Durchschnitt aller OECD-Länder.“

Fast zwei Drittel der Betriebe stufen aktuell die Energie- und Rohstoffpreise als eines ihrer größten Geschäftsrisiken ein, in der Industrie sind es sogar 85 Prozent. „Das ist sowohl für die Gesamtwirtschaft als auch für die Industrie der höchste bislang von uns ermittelte Wert“, betont Wansleben. Über alle Branchen hinweg melden zudem neun von zehn Unternehmen höhere Einkaufspreise als Folge von Lieferengpässen, gut die Hälfte spricht sogar von Preisanstiegen „in erheblichem Umfang“. Nur noch zehn Prozent der Betriebe und damit deutlich weniger als im Herbst 2021 rechnen mit einem Ende der Lieferprobleme bis zu Jahresmitte.

Die übrigen knapp 90 Prozent stellen sich auf eine längere Durststrecke ein oder wagen keine Prognose. Auf Platz zwei der Geschäftsrisiken folgt der Fachkräftemangel: 61 Prozent (nach zuvor 59 Prozent) der Unternehmen fürchten, nicht genügend qualifiziertes Personal zu finden. Zugenommen hat auch die Sorge vor steigenden Arbeitskosten. 43 Prozent der Betriebe (nach zuvor 40 Prozent) sehen hier ein Risiko für ihr Geschäft – so viele wie noch nie.

Mehr als jedes dritte Unternehmen beschreibt seine eigene Finanzlage als problematisch. „Zwei Jahre Corona-Krise haben viele Reserven aufgebraucht“, so Wansleben. „Das können auch die Hilfen, die vieles abgefedert haben, nicht ändern. Je kleiner das Unternehmen, desto kritischer stellt sich die Finanzlage dar, vor allem beim Eigenkapital und der Liquidität.“ So sieht sich ein Viertel der kleinen Unternehmen (bis zu 19 Beschäftigte) mit einem Eigenkapitalrückgang konfrontiert und ein Fünftel befürchtet einen Liquiditätsengpass (21 Prozent).

Besonders angespannt fällt die Bewertung der Finanzlage im Gastgewerbe und bei den Unternehmen aus Kunst, Unterhaltung, Freizeit aus. Hier hat sich auch die Geschäftslage durch die Maßnahmen zur Eindämmung der vierten Corona-Welle noch einmal sehr verschärft, nachdem es im Herbst Anzeichen für einen Aufwärtstrend gegeben hatte.

Bessere Erwartungen als im Herbst melden die Pharmaunternehmen, die Textilhersteller sowie die Maschinenbauer. „Der Export erweist sich auch insgesamt als vergleichsweise stabil“, so Wansleben. „Deshalb sind diejenigen Unternehmen optimistischer, die offenbar befürchtete Rückschläge durch den Export kompensieren können, und die nicht so hart von Corona betroffen sind.“ Im Pharma- und im Maschinenbausektor wollen auch mehr Unternehmen in einen Ausbau ihrer Kapazitäten investieren als im Herbst 2021.

Insgesamt halten sich die Unternehmen dagegen bei den Investitionen noch stärker zurück. „Dafür gibt es sehr viele unterschiedliche Gründe: Hohe Kostenbelastungen, aktuelle Unsicherheiten, schwierige Rahmenbedingungen auch durch unsere aufwändigen Planungsverfahren“, sagt Wansleben. „Angesichts dessen, was wir wegen der Coronakrise nachholen müssen, und zur Erneuerung unserer Wirtschaft brauchen, wäre jetzt die Zeit für einen kräftigen Investitionsschub. Tatsächlich aber sind die Investitionen aktuell zu schwach für einen selbst tragenden Aufschwung.“

Die Beschäftigungsabsichten der Unternehmen bleiben trotz des schwierigen Umfelds und der unsicheren Entwicklung rund um das Pandemiegeschehen im positiven Bereich (Saldo acht Punkte). „Selbst in bei der aktuell großen Unsicherheit bereiten sich die Betriebe darauf vor, dass der Mangel an Fachkräften als Folge unserer Demografie noch weiter zunehmen wird“, sagt Wansleben.

Mehr als jedes fünfte Unternehmen (21 Prozent) plant mit mehr Beschäftigung, zwei Drittel mit gleichbleibendem Personalbestand, während 13 Prozent mit einem Abbau rechnen. Gegenüber der Umfrage aus dem Herbst 2021 zeigt sich zwar eine leichte Eintrübung (Saldo von acht nach zuvor neun Punkten), aber die Pläne liegen weiter merklich über dem langjährigen Durchschnitt (Saldo von null Punkten).

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