Mit einer Kranzniederlegung in der Gedenkstätte Buchenwald am Montag (27. Januar) und einem Gedenkakt im Thüringer Landtag am Mittwoch (29. Januar) gedenken der Thüringer Landtag, die Thüringer Landesregierung und die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora gemeinsam der Opfer des Nationalsozialismus. Im Landtag wird die Shoah-Überlebende Ingeburg Geißler* eine Rede halten.

„Vor 80 Jahren wurde am 27. Januar 1945 das Vernichtungslager Auschwitz durch Sowjetische Truppen befreit. In diesem Jahr gedenken wir am 29. Januar gemeinsam der Millionen Opfer des Nationalsozialismus: der ermordeten Juden Europas, der Sinti und Roma, der Zwangsarbeiter, der politischen Gefangenen, der Homosexuellen, der Menschen mit Behinderung, der Zeugen Jehovas und aller weiteren Opfer. Vor 80 Jahren betrat Ingeburg Geißler als Zwölfjährige das heutige Abgeordnetengebäude als Gefangene der Gestapo. Sie wurde von hier aus am 31. Januar 1945 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und überlebte“, so Landtagspräsident Dr. Thadäus König. „Der Landtag trägt besondere Verantwortung. Als Erinnerungsort, als Ort des Dialogs und als Ort des gemeinsamen Gestaltens. Wenn die Abgeordneten hier zusammenkommen, um Entscheidungen für das Land zu treffen, dann tun sie dies in dem Bewusstsein, dass eine parlamentarische Demokratie nicht selbstverständlich ist. Dass ein Leben ohne Freiheiten auf grausame Weise enden kann, haben Millionen Menschen in der Diktatur des Nationalsozialismus erleiden müssen. Es ist die historische Schuld, die nicht nur das Erinnern einfordert, sondern auch das unbedingte Eintreten für Demokratie und Menschenwürde.“

Ministerpräsident Mario Voigt: „Wir verneigen uns in tiefer Demut vor den Millionen unschuldigen Menschen, die auf unaussprechliche Weise durch die systematischen und akribisch geplanten Verbrechen der Nationalsozialisten ihr Leben verloren haben. Thüringen trägt sowohl mit Orten wie Buchenwald als auch mit der Geschichte um ‚Topf und Söhne‘ eine besondere Verantwortung, die Erinnerung wachzuhalten. Der Schutz vor Antisemitismus und jeglicher Form von Diskriminierung ist nicht nur eine nationale, sondern auch eine Thüringer Verpflichtung. ,Nie wieder!‘ muss unser deutscher und europäischer Konsens bleiben. Wir dürfen nicht zulassen, dass Gleichgültigkeit, Geschichtsvergessenheit oder Relativismus die Lehren der Vergangenheit untergraben. Jüdisches Leben in Thüringen und ganz Deutschland verdient Schutz und Anerkennung. Es ist unsere Verantwortung, insbesondere die jüngeren Generationen für die Verbrechen der Vergangenheit zu sensibilisieren und sie in die Gestaltung einer offenen und toleranten Gesellschaft einzubinden. Erinnerungskultur lebt von aktiver Beteiligung – durch Bildung, Projekte und den Dialog zwischen den Generationen. Antisemitismus zu bekämpfen und Toleranz zu stärken, ist unsere gemeinsame Aufgabe – heute und jeden Tag.“

Prof. Dr. Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora: „Weltweit steht die liberale Demokratie unter Druck, nehmen Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus zu. Die Geschichte der nationalsozialistischen Verbrechen zeigt uns, wohin das führen kann. Verteidigen wir unsere Demokratie und die weltoffene Gesellschaft, indem wir das Geschichtsbewusstsein in der Gesellschaft stärken und Angriff auf die Erinnerungskultur nicht zulassen.“

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Ingeburg Geißler wurde am 8. Juli 1932 als einziges Kind eines jüdischen Vaters und einer christlichen Mutter in Erfurt geboren. Ein Jahr später wanderte die Familie nach Palästina aus, kehrte jedoch einige Monate später ins Deutsche Reich zurück. Um ihre Mutter und sie vor Repressalien zu schützen, ließ sich der Vater scheiden und wanderte 1938 nach Shanghai aus. Am 31. Januar 1945 wurde sie als Zwölfjährige nach Theresienstadt deportiert. Die damalige Sammelstelle der Gestapo befand sich in dem heutigen Abgeordnetengebäude des Thüringer Landtags. Nach der Befreiung des KZ Theresienstadt im Mai 1945 kehrte Ingeburg Geißler zurück nach Erfurt und machte ihr Abitur in Wickersdorf. Anschließend studierte sie Jura an der Humboldt-Universität zu Berlin, wo sie bis heute lebt. Erst im Rentenalter begann sie, über die Erlebnisse ihrer Kindheit zu sprechen. Seitdem erzählt sie ihre Geschichte besonders Schülerinnen und Schülern.

Die Gedenkstunde wird auf der Website des Landtags im Livestream übertragen und ist anschließend in der Mediathek abrufbar: www.thueringer-landtag.de/plenum/landtag-live