Offener Brief der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringens an Bundestagsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP aus Thüringen:

Sehr geehrte Damen und Herren,
angesichts des von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgelegten Referentenentwurfes für ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz fordern wir Sie auf, gegen einen darin enthaltenen Verstoß gegen den Koalitionsvertrag einzutreten. Insbesondere widerspricht es dem Versprechen an die Bürgerinnen und Bürger, wenn erst kürzlich eingeführte Verbesserungen beim Arztzugang für gesetzlich krankenversicherte Personen durch die Regierungskoalition wieder rückgängig gemacht werden.

Die geplante Wiedereinführung von Budgets für Neupatienten wird im Verantwortungsbereich der KV Thüringen zu schwerwiegenden Versorgungsproblemen führen. Budgetvorgaben sind immer ein Instrument der Leistungsbegrenzung, deshalb erschien die im Koalitionsvertrag verankerte Stärkung der hausärztlichen Versorgung als Signal einer bürgerfreundlichen Politik. Mit der Entbudgetierung der Behandlung von Patientinnen und Patienten, die erstmals oder erstmals seit mehr als zwei Jahren in einer Praxis behandelt werden, war in Thüringen eine spürbare Erhöhung der Kapazitäten in der ambulanten fachärztlichen Versorgung verbunden.

Für die Thüringer Vertragsärzte stellt das neue Gesetzesvorhaben eine reale Kürzung ihres Honorars in Aussicht. Angesichts der aktuellen Kostenentwicklung in den Praxen bei bekanntermaßen unzureichendem Budget ist eine stringente Leistungsreduzierung wirtschaftlich die einzige sinnvolle Reaktion der Anbieter auf diese Sparmaßnahme. Um in Behandlung befindliche Patienten medizinisch bedarfsgerecht versorgen zu können, wird die Annahme von Neupatienten in den Praxen und Medizinischen Versorgungszentren gebremst werden müssen. Es ist voraussehbar, dass die Terminservicestellen ihren Auftrag vor diesem Hintergrund nicht mehr erfüllen können. Dies ist kein Drohszenario, sondern eine realistische Prognose von erfahrenen Fachleuten. Die Auswirkungen wird die Bevölkerung vor der nächsten Bundestagswahl zu spüren bekommen.

Im jahr 2018 hatte Prof. Lauterbach als gesundheitspolitischer Verhandlungsführer der SPD in der großen Koalition das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) noch als großen Erfolg verkauft. Die Zwei-Klassen-Versorgung von GKV- und PKV-Patienten bei Facharztterminen werde endlich abgebaut, begrüßte er damals die Förderung der zusätzlichen Behandlung von Neupatienten. Derzeit läuft noch die Nachbereinigung der Gesamtvergütung um die vor Beginn der Maßnahme behandelte Zahl an Neupatienten. Bevor die Effekte des TSVG voll zur Wirkung gelangen, will Ihr Gesundheitsminister nun den gesetzlich Versicherten den verbesserten Zugang zur fachärztlichen Versorgung wieder entziehen.

Bitte stoppen Sie diese Fehlentscheidung!

Mit freundlichen Grüßen

Kassenärztliche Vereinigung Thüringen

Vorstand und Vertreterversammlung

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