In zwei Monaten findet in Erfurt der 103. Deutsche Katholikentag statt. Christen aus
ganz Deutschland kommen zusammen, um miteinander zu diskutieren, zu beten und
zu feiern. An vielen Ständen in der Stadt präsentiert sich die ganze Vielfalt der katholischen Kirche nicht nur den Gästen des Katholikentags, sondern auch den Erfurterinnen und Erfurtern.

Ein breites kulturelles Angebot lädt alle ein. Das Leitwort des Katholikentags lautet „Zukunft hat der Mensch des Friedens“. Es ist ein Zitat aus dem Psalm 37. Im Buch der Psalmen sind 150 Gebete überliefert, der Psalm 37 ist eines der Längsten davon. Der Beter erörtert im Gebet die Frage, wer
am Ende die besseren Karten hat: Der Gerechte, der sich für Gerechtigkeit,
Versöhnung und Frieden engagiert, oder der Frevler, der nimmt, was er bekommen
kann. Gegen Ende des Psalms steht dann der Satz: „Zukunft hat der Mensch des
Friedens“ (Psalm 37,37). Dieser Satz provoziert die Frage: Ist das wirklich so? Hat
wirklich der Mensch des Friedens Zukunft und nicht derjenige, der radikal nur seine
eigenen Interessen verfolgt, der Gesetze missachtet und der sogar bereit ist, seine
Interessen mit Gewalt durchzusetzen? Und zieht nicht am Ende doch der Mensch
des Friedens den Kürzeren?

Wenn Sie Menschen des Friedens nennen sollten,
Menschen deren Lebenswerk der Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung
ist, würden Ihnen vielleicht auch die Namen Mahatma Gandhi oder Martin Luther
King einfallen. Beide wurden bekanntlich erschossen. Wie kann man also das
Leitwort des Katholikentags erklären – besonders in einer Gegend, in der den
meisten Menschen Religion fremd ist. Entweder ist dieser Satz schlichtweg falsch,
oder man muss über das Wort „Zukunft“ nachdenken. Zukunft ist ja ein sehr weiter
Begriff. Er reicht von der Zukunft, bis hin zum Ende
der Welt und ihrer Geschichte. Mit „Zukunft“ ist im Psalm 37 sicher nicht der nächste
Tag gedacht.

Wenn der Satz „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ auch ohne
religiösen Hintergrund verständlich sein soll, dann muss diese Perspektive auch über
das Ende des eigenen Lebens hinausreichen. Da haben nämlich Mahatma Gandhi
und Martin Luther King und viele andere Friedensstifter langfristig eine Zukunft der
Versöhnung, des Friedens und der Gerechtigkeit eröffnet, auch wenn sie selbst die
Früchte nicht ernten konnten.​

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