Zum alltäglichen Gebrauchsgegenstand eines DDR-Bürgers gehörte die Essbestecktasche samt Inhalt. In jedem Betrieb und in jeder Schule gab es alltäglich ein preiswertes Mittagessen, das in einem dafür vorgesehenen Speisesaal eingenommen wurde. Für das Essbesteck und seine Reinigung musste jeder selbst sorgen. Im Speisesaal der Berufsschule stand dafür eine Abwaschschüssel und ein Abtrockentuch bereit. Eine sprunghaft ansteigende Infektionswelle ist in meiner Erinnerung nach davon nicht ausgegangen, erzählt Karl-Heinz Hoffmann….

Sollte jemand sein Essbesteck vergessen haben, konnte Sie oder Er sich Messer, Gabel und Löffel kurzfristig ausleihen. Letzteres allerdings aus Aluminium. Bei Berührung mit einer Zahnplombe erwies sich diese Kombination als galvanisches
Element mit einer elektrisierenden Wirkung. Ordentliche Bestecke wurden meist nicht ausgeliehen, da manche Werktätige die Worte Erich Honeckers „aus unseren
Betrieben ist noch viel mehr rauszuholen“ allzu wörtlich nahmen.
Für meine Ansprüche war die Qualität des Essens ausreichend. Als es einmal in einem Speiseraum der Baumwollspinnerei eine Suppe mit Pökelfleisch gab, war fast allen Essenteilnehmern dieser leicht penetrante Geruch und Geschmack ungewohnt und sie verweigerten die Nahrungsaufnahme. Scheinbar hatten sie in ihrem Leben die unangenehme Auswirkung länger anhaltender ungenügender Nahrungszufuhr, wie ich nach 1945, nicht erfahren müssen. Als Reaktion auf diese Haltung aß ich meinen Teller leer und holte nochmals einen Teller als Nachschlag.
Ganz kritische Werktätige nahmen ihr garantiertes demokratisches Recht auf Kritik am Werkküchenessens wahr. Sie schickten eine Kostprobe der Suppe an die Kreishygieneinspektion mit dem Verdacht, dass hier „Gammelfleisch“ verarbeitet wurde. Dieses Wort gab es damals noch nicht.
Die Kreishygieneinspektion konnte keine bakteriologisch bedenklichen Besonderheiten der Suppe feststellen. Mit dem Hinweis der Küchenleitung, dass ein Essenteilnehmer sogar mit Nachschlag keine schlechten Nachwirkungen verspürte, wurde die Suppe als hygienisch einwandfrei eingestuft. So wurde ich bei den Küchenfrauen der beliebteste Essenteilnehmer und erhielt manchmal kleine Bevorzugungen.
Karl-Heinz Hoffmann
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