Ein Beitrag von Dr. Michael Kruppe

Ca. 15 bis 20 Zuschauer sowie Vertreter von Presse, Rundfunk und Fernsehen waren am Samstagvormittag der Einladung des Forstbetriebs der Stadt Heilbad Heiligenstadt gefolgt, um sich im oberen Pferdebachtal eine alte Handwerkskunst vorführen zu lassen: das Rücken von Baumstämmen im Wald mit Pferden.

Andreas Ludewig bei der Vorführung im Wald mit seinem Pferd. Foto: M. Kruppe

Andreas Ludewig vom Forstbetrieb Ludewig in Bovenden (Landkreis Göttingen) hatte eigens dazu zwei Kaltblüter mitgebracht, welche besonders bei den zahlreichen Kindern für strahlende Gesichter sorgten.


Nach einer kurzen Einführung von Raimund Schüttler, dem Leiter des Heiligenstädter Forstbetriebs, berichtete Andreas Ludewig den Zuschauern von seiner Arbeit mit den Pferden und den damit verbundenen Problemen. Anschließend ging es ins Unterholz. Eigentlich sollte dort das rheinisch-deutsche Kaltblut „Oskar“ seine Arbeitskraft demonstrieren, aber das Pferd wollte nicht. Es machte an diesem Tag von seinem „Streikrecht“ Gebrauch und weigerte sich immer wieder, die Stämme zu ziehen.

Andreas Ludewig hatte dies bei seinen Ausführungen zu Beginn der Veranstaltung bereits vorausgesagt und betont: „Pferde sind auch nur Menschen“. Mit Gewalt erreiche man bei ihnen gar nichts, sondern nur mit Geduld. Immerhin war „Oskar“ zu kleineren Zugeständnissen an die Arbeitgeberseite bereit, wie man als Gewerkschafter sagen würde. Nachdem eine Reporterin vom MDR Thüringen Journal ihre Kamera in Stellung gebracht hatte, zog das Pferd tatsächlich noch einige Baumstämme aus dem Unterholz hervor.

Die Zeit zwischendurch nutzten die Anwesenden so lange für Fachgespräche in angenehmer Atmosphäre. Einige aktive und ehemalige Waldarbeiter befanden sich unter den Zuschauern.

Das Rücken von Baumstämmen mittels Pferden war bis zur Jahrtausendwende die vorherrschende Beförderungstechnik in der Holzernte. Ab dem Jahr 2000 mussten dann in den vom Thüringer Staatsforst bewirtschafteten Wäldern alle 20 Meter Schneisen angelegt werden, damit moderne Erntemaschinen wie der so genannte „Harvester“ hindurch fahren können. Man wollte so die Holzerträge steigern. Der Einsatz von Pferden wurde dadurch jedoch unwirtschaftlich und das Jahrhunderte alte Handwerk starb zunehmend aus.

Seit dem 1. Januar 2023 bewirtschaftet die Stadt Heilbad Heiligenstadt ihren Waldbestand selbst und gründete dazu einen eigenen Forstbetrieb unter der Leitung von Forstwirt Raimund Schüttler.

Von 1952 bis 1990 hatte diese Aufgabe der Staatliche Forstwirtschaftsbetrieb Heiligenstadt übernommen, welcher für die Kreise Heiligenstadt, Worbis und Mühlhausen zuständig war. Nach dessen Auflösung durch die Treuhand-Anstalt ging diese Kompetenz an das Land Thüringen über.

Seit dem 1. Januar 2023 ist die Stadt Heilbad Heiligenstadt wieder „Herr im eigenen Wald“ und entscheidet selbst darüber, wie sie diesen bewirtschaftet. Daher setzt man nun wieder auf die traditionelle Rücketechnik mittels Pferden und zwar dort, wo es Sinn macht, wie Raimund Schüttler sagt.

Zwar können und sollen die großen Erntemaschinen nicht vollständig ersetzt werden, aber die von ihnen verursachten Schäden reduzieren sich. Bereits durch das erstmalige Befahren des Waldbodens mit einer tonnenschweren Erntemaschine kommt es zu einer Bodenverdichtung, deren Regeneration ca. 30 Jahre benötigt. Obwohl der Einsatz von Rückepferden teurer und zeitaufwendiger ist als mit dem Harvester, setzt Heiligenstadt bewusst auf diese traditionelle Beförderungstechnik. Sie ermöglicht eine nachhaltige und umweltschonende Waldbewirtschaftung.
Dr. Michael Kruppe

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