Ein Beitrag von Michael Kruppe

Was seit Längerem hinter vorgehaltener Hand getuschelt wurde, wird nun Gewissheit. Der EDEKA-Markt Volker Roy in der Heiligenstädter Straße (früher V-Markt) schließt zum 31. Mai 2023 für immer seine Tore. Seit Samstag wird sogar schon die Inneneinrichtung zum Verkauf angeboten.

Foto: Michael Kruppe

30 Euro soll ein Warenregalteil kosten. Mit der Schließung endet eine 30jährige Ära und es droht der Beginn einer verhängnisvollen Kettenreaktion, die der Stadt Leinefelde-Worbis noch viele Probleme bereiten könnte.

Gebaut wurde der „Versorgungskomplex V-Markt“ seit September 1991 von der
Baugesellschaft Worbis im Auftrag von Investoren aus Bremen. Es war der erste Neubau eines Lebensmitteldiscounters in Leinefelde seit der Wiedervereinigung. Das Konzept „Versorgungskomplex V-Markt“ sah vor, einen Lebensmittelmarkt sowie verschiedene Dienstleister wie Drogerie, Bäckerei, Fleischerei, Bekleidungsgeschäfte und Ärzte an einem Ort zu konzentrieren, um die Versorgung der Leinefelder Altstadt und der Gemeinde Beuren spürbar zu verbessern.

Der Spatenstich für das rund 7000 Quadratmeter große Areal fand am 16. September 1991 statt. Ohne Verkaufseinrichtungen hatte das Vorhaben ein Investitionsvolumen von 4,5 Mio. D-Mark. Am 16. Juli 1992 wurde der erste Bauabschnitt mit dem Lebensmittelmarkt sowie einer Bäckerei und Fleischerei eingeweiht. Am 21. Oktober 1992 konnte der zweite Bauabschnitt mit einer Drogerie, einem Schuhladen und diversen Arztpraxen eröffnet werden.

Die ausgezeichnete Versorgungslage ermöglichte der Stadt Leinefelde einen bis heute anhaltenden Baumboom. Wo vorher noch Ackerland war, entstanden nun Eigenheime, die sich inzwischen bis zum Richteberg erstrecken.

Der V-Markt wurde schnell zu einem festen Begriff in der Bevölkerung. Auch nach der Übernahme des Discounters durch den EDEKA-Konzern in den 2000er Jahren sprach man weiterhin vom V-Markt. Jeder wusste, was gemeint war. Dass der Betreiber nun zum 31. Mai 2023 aufgibt, hatte sich für viele Beobachter schon lange abgezeichnet. An Übernahme-Interessenten soll es in den letzten Jahren zwar keinen Mangel gegeben haben, aber bis jetzt waren alle Gespräche gescheitert.

Die Schließung des Discounters hat dramatische Auswirkungen. Zum einen müssen mit dem Lebensmittelmarkt auch die darin befindlichen Niederlassungen der Bäckerei Schäfer und der Fleischerei Schneider sowie der Getränkemarkt nebenan schließen.

Der Versorgungskomplex würde dann nur noch aus einem Bekleidungsgeschäft und den Arztpraxen im Obergeschoss bestehen, welche als Medizinische Versorgungszentren ausgewiesen sind. Mindestens 3000 Menschen wären dadurch von der Lebensmittelversorgung abgeschnitten. Neben dem Verlust von Arbeitsplätzen droht der Stadt Leinefelde-Worbis auch ein empfindlicher Einbruch bei den Gewerbesteuereinnahmen.

Darüber hinaus würden sich die Kundenströme und Warenströme auf andere Discounter verlagern. Das klingt auf dem ersten Blick unproblematisch, immerhin gibt es im Ortsteil Leinefelde noch andere Lebensmittelmärkte. Aber bei näherer Betrachtung stellt man fest, dass gerade hier der neuralgische Punkt liegt.

Der am Ortsausgang von Leinefelde in Richtung Beuren gelegene EDEKA-Markt hat für den innerstädtischen Verkehr eine entlastende Wirkung. Seine Schließung würde bedeuten, dass sich der gesamte Kunden- und Lieferverkehr nun auf die Bahnhofstraße, Lutherstraße und Südstraße verlagert, um die dortigen Discounter zu erreichen.

Der Kaufland-Markt in der Bahnhofstraße verfügt jedoch nur über begrenzte Kapazitäten, was Kundenparkplätze angeht. Außerdem kann er nur über die enge Lutherstraße mit Waren beliefert werden. Schon jetzt stöhnen die Anwohner über Lärmbelästigung. Um den EDEKA-Markt in der Herderstraße zu erreichen, müssten die Bewohner der Leinefelder Altstadt entweder durch die enge Südstraße fahren oder über die große Ampelkreuzung in Richtung Mühlhäuser Straße. Auch die LKW-Kolonnen, welche bisher aus Richtung Heiligenstadt kommend den Markt beliefert haben, müssten sich durch die Südstraße quetschen, denn die Abkürzung über den Eisenbahntunnel in Beuren ist für diese Fahrzeuge gesperrt.

Die zu erwartende steigende Verkehrsbelastung der Bahnhofstraße, Lutherstraße und Südstraße trägt ein enormes Konfliktpotenzial in sich und wird für die Stadt Leinefelde-Worbis enorme finanzielle Folgen haben, wenn diese Straßen kaputt gefahren sind und umfassend saniert werden müssen. Bei der jetzigen Haushaltslage wäre das eine Katastrophe.

Insofern kann man nur hoffen, dass man in der Stadtverwaltung nicht erst wartet, bis das eingetreten ist, was oben skizziert wurde; sondern dass man sich bereits jetzt um die Ansiedlung eines neuen Marktes oder Marktbetreibers in der Heiligenstädter Straße bemüht, so lange das Gewerbeobjekt noch vermietet ist.

Michael Kruppe

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