Das Thema “Ortsumfahrung Birkungen” war auch gestern noch einmal Thema bei der Stadtratsitzung in der Festhalle Siechen in Birkungen. Zu Wort meldete sich der Birkunger Ortsbürgermeister, Michael Apel.  Seine Rede möchten wir hier im Ganzen veröffentlichen, da es verschiedene Gründe gibt und vor allem aufzeigt, woran es fehlt.

Michael Apel: “Ich möchte die Thematik „Bau einer Ortsumfahrung Birkungen“ an dieser Stelle noch einmal aufgreifen, weil sie mich als Ortsteilbürgermeister des am meisten davon betroffenen Ortsteils Birkungen mit seinen mehr als 1.300 Einwohnern sehr umtreibt. Mit einiger Überraschung und großem Erstaunen mussten wir in den letzten Tagen über die Presse – und dies möchte ich besonders betonen – über die Presse zur Kenntnis nehmen, dass der Landrat beabsichtigt hatte, in der Sitzung des Kreistags am kommenden Mittwoch einen Grundsatzbeschluss über den Bau einer Ortsumfahrung Birkungen fassen zu lassen. 

Hier kam mir folgender Satz in den Sinn: Stell dir vor, es soll eine Ortsumfahrung gebaut werden, und keiner weiß etwas davon. Und so ging es sicher auch den meisten Einwohnern meines Heimatortes. Das Vorhaben wirft in zweierlei Hinsicht Fragen auf, zum einem in formeller zum anderen in inhaltlicher. Dankenswerter Weise hat uns unser Bürgermeister über ein Schreiben des Landrats an den Thüringer Minister für Infrastruktur und Landwirtschaft vom 9. März 2021 informiert, welches er quasi als „besonderen Service“ vom Büro des Landrats per E-Mail erhalten hat. Diese E-Mail sollte, so scheint es zumindest, die Beteiligung bzw. Information der betroffenen Kommune darstellen. Hätte uns Bürgermeister Grosa seinerzeit nicht informiert, hätten wir erst in der vorletzten Woche und somit fast drei Monate später durch einen Zeitungsartikel von den Planungen erfahren. 

Diese Art der (Nicht)Informationspolitik und der Geheimniskrämerei des Landratsamts entspricht aus meiner Sicht nicht dem sonst stets propagierten eigenen Anspruch, wenn es diesen mit den Worten serviceorientiert, dienstleistungsorientiert, bürgernah umschreibt. Wie soll man diese Art der Einbindung nun interpretieren? Auf jeden Fall ist sie aus meiner Sicht mehr als gestrig. Überspitzt könnte man sagen, die weltliche Herrschaft im Heiligenstädter Schloss meint, sie wisse schon am besten Bescheid, was gut für das gemeine Volk ist und eben dieses Volk müsse dann nur noch glücksbeseelt den weisen Entscheidungen huldigen. 

Das hat jedoch nichts mit moderner und transparenter Kommunalpolitik im 21. Jahrhundert zu tun. Hier hätte es mehr bedurft als einer lapidaren E-Mail an den örtlichen Träger der Planungshoheit. Die potenziell Betroffenen haben vielmehr einen Anspruch darauf, frühestmöglich über Maßnahmen solcher Tragweise informiert und eingebunden zu werden. Ich stelle hier die Frage, warum wurde es nicht einmal für nötig befunden, die politisch Verantwortlichen vor Ort, und hier meine ich den Stadtrat aber insbesondere den Ortsteilrat von Birkungen vorab zu informieren, so wie dies nunmehr möglich scheint, wenn auch viele Wochen zu spät. 

Welches Bild über die politischen Repräsentanten vor Ort herrscht in mancher Amtsstube des Landratsamts, wenn auf der einen Seite gemeinsam mit den Ortsteilbürgermeistern die besten Standorte für Küchenabfalltonnen gesucht werden, andererseits diese Einbindung bei einem so raumbedeutsamen Projekt wie einem Straßenneubau nicht erfolgt. Ich weiß natürlich, dass man erst am Beginn des Planungsprozesses steht, der Bau einer Straße nicht von heute auf morgen erfolgt, dies vielmehr einen mehrjährigen Zeithorizont in Anspruch nimmt und auch ein Genehmigungsverfahren notwendig ist. Aber die Einbindung der am meisten Betroffenen zu Beginn des Verfahrens wäre mehr als notwendig gewesen. Wir wollen weder überrascht, überrumpelt noch überredet, sondern von Notwendigkeiten argumentativ und abwägend überzeugt werden. Und auch inhaltlich wirft das Vorhaben derzeit mehr Fragen auf, als es Antworten gibt. Ortsumfahrungen sind nicht per se ein Segen, notwendig und gewollt. Sie müssen weiteren Kriterien genügen. 

Was bspw. für Beuren mit vielen Tausend Fahrzeugen pro Tag oder Ferna und Teistungen dringend geboten ist, kann in anderen Orten für Kopfschütteln und Unverständnis sorgen. Ich weiß, dass es in Birkungen neben kritischen Stimmen auch Befürworter einer solchen Ortsumfahrung gibt. Das ist legitim und soll auch so sein. Wenn nun aber angeführt wird, diese Ortsumfahrung sei deshalb notwendig, um den Krankenhausstandort in Reifenstein zum zentralen Krankenhausstandort im Eichsfeld auszubauen und Fördermittel in Größenordnungen zu erhalten, so wird aus meiner Sicht das Pferd von hinten aufgezäumt und der 2. vor dem 1. Schritt getan. 

Erst im Falle einer positiven Standortentscheidung für Reifenstein sollten diese Überlegungen realistischerweise angestellt werden. Unsere Region – also der Landkreis Eichsfeld – braucht ein modernes, innovatives, zentral gelegenes und leicht erreichbares Krankenhaus an einem einzigen Standort, wollen wir auch in den nächsten Dekaden eine medizinische Einrichtung dieser Art bei uns weiter haben. Und ich unterstütze ausdrücklich ein Eichsfeld-Klinikum in unserem Landkreis. Nur muss dieses zukunftsfit und konkurrenzfähig sein. 

Dank guter Infrastruktur sind Kliniken in Göttingen, Nordhausen, Bad Langensalza oder Erfurt leicht erreichbar. Und gerade deshalb benötigen wir ein modernes Klinikum mit Alleinstellungsmerkmalen an einem zentralen Standort. Der Standort Reifenstein kann diesen Ansprüchen aufgrund seiner eher abgeschiedenen Lage wenige hundert Meter von der Kreisgrenze entfernt aus meiner Sicht nicht in Gänze erfüllen. Er mag für viele Zwecke im medizinischen oder Rehabilitationsbereich ideal sein, aber ob er dies auch für einen zentralen Krankenhausstandort unseres Landkreises für die nächsten Jahrzehnte ist, bleibt fraglich. 

 Ich möchte auf weitere Aspekte hinweisen, die aus meiner Sicht auch immer bei den anstehenden Überlegungen berücksichtigt werden sollten. Aktuell wird bereits ein großes Straßenneubauvorhaben unweit der Ortslage Birkungen realisiert. Dieses ist mit einem enormen Flächenverbrauch und massiven Eingriffen in Natur und Landschaft sowie etablierte Lebensräume verbunden. Dass viele Birkunger bereits mit diesem Projekt nicht glücklich sind, ist hinlänglich bekannt. Käme auf der Ostseite nun eine weitere Ortsumfahrung hinzu, wäre Birkungen nahezu eingekreist. 

Der Birkunger Ring umschlösse dann quasi unseren Ort. In der Folge würde perspektivisch sicher eine weitere Landesstraße teilweise durchgereicht und zu einer Gemeindestraße deklariert. Es käme zu einem weiteren Flächenverbrauch sowohl für die Landwirtschaft aber vielmehr noch für die Naherholung, soll die neue Straße doch eine Länge von 1,4 km haben. Lebensqualität würde verloren gehen, Jahrhunderte alte Wegeverbindungen gekappt und auch der nahe gelegene Stausee Birkungen wäre zumindest mittelbar betroffen, ganz zu schweigen davon, dass im Zusammenhang mit der Landesgartenschau 2024 stehende Vorhaben im wahrsten Sinne des Wortes durchkreuzt würden, weil auch ausgereifte Planungen für Naherholung und Flächenaufwertungen mit betroffen wären. 

Natürlich würde eine Ortsumfahrung einen Teil des Verkehrs aus dem Ort nehmen, Lärm- und Staubbelästigung verringern und Gefahren, die mit dem Straßenverkehr verbunden sind, minimieren. Das sind durchaus positive Aspekte von hohem Gewicht, die ich überhaupt nicht verhehlen möchte. Wie der Presse zu entnehmen war, wurde der Beratungsgegenstand kurzfristig von der Tagesordnung des Kreisausschusses genommen, weil noch, so heißt es, Gesprächs- und Beratungsbedarf von Seiten der Fördermittelgeber sowie auf politischer und unternehmerischer Ebene besteht. 

Auch viele weitere Gespräche bspw. in Fraktionen und in Telefonaten der letzten Tage zeigen ebenso, wie kürzlich offerierte Gespräche vor Ort, dass offensichtlich ein Umdenken bei den Verantwortungsträgern eingesetzt hat. Dies eröffnet perspektivisch die Möglichkeit, dass sich jeder, der es möchte, von den Ideen und Planungen ein Bild machen kann und das Für und Wider abwägen kann. 

Sehr geehrter Landrat Dr. Henning, es gibt eine Reihe von Themen, zu denen wir Ihre Unterstützung wünschten. Geben Sie bitte endlich Ihren Widerstand gegen die Landesgartenschau 2024 in Leinefelde-Worbis auf. Verstehen Sie dieses Projekt als das was es ist, eine große Chance für die gesamte Region Eichsfeld. Unterstützen Sie das Projekt in all seinen Dimensionen. Verfolgen Sie einen zentralen, zukunftsfesten und modernen Neubau eines Eichsfeld Klinikums, gern in der Stadt Leinefelde-Worbis. 

Legen Sie alle Karten auf den Tisch, damit sich die politisch Verantwortlichen ein umfassendes Bild machen können. Lassen Sie die Stadt Leinefelde-Worbis nicht länger allein bei der Bewältigung der mit der Flüchtlingsunterbringung auf Burg Bodenstein einhergehenden Problemen. Sorgen Sie für einen zweiten Standort im Kreisgebiet. Kommen Sie mit uns ins Gespräch. Lassen Sie uns diese Gespräche ergebnisoffen aber ziel- und lösungsorientiert, auf Augenhöhe und im Dialog führen. Erste positive Signale habe ich in den letzten Tagen vernommen. Ziehen Sie auch zukünftig mit der Stadt Leinefelde-Worbis an einem Strang, und ab heute bitte auch in dieselbe Richtung.”

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