Das Textil- und Modehaus Schmeck wie es viele noch aus DDR-Zeit kennen. Doch Mitte der 90er wurde es abgerissen und ein Stück weiter oben neu aufgebaut. Foto: Ilka Kühn

Leinefelde. Viele Besucher der Leinefelder Innenstadt werden es schon bemerkt haben: im ehemaligen „Textil- und Modehaus Schmeck“ in der Bahnhofstraße 1 ist seit Kurzem wieder Leben eingezogen. Kosmetische Dienstleistungen werden jetzt dort angeboten. Das einstige Textilhaus hat eine lange Geschichte. Im Eichsfeld war der Name „Schmeck“ ein Begriff. Es war zu einer Zeit, als Leinefelde noch Einkaufsmagnet war. Dr. Michael Kruppe hat sich mit der Geschichte des Texilhauses Schmeck befasst:


Mit der endgültigen Schließung des „Textil- und Modehauses Schmeck“ im Jahre 2022 ging eine über 170jährige Firmentradition zu Ende. In dem ehemaligen Fachwerkhaus an der Ecke
Breitenbacher Straße/Triftstraße, wo sich heute ein großer Kundenparkplatz befindet,
betrieben die Eheleute Josef und Marianne Fuhlrott seit den 1840er Jahren ein Geschäft für
Manufaktur- und Kolonialwaren. Das genaue Datum der Gründung ist nicht bekannt. Manche
Quellen geben das Jahre 1843 an, andere wiederum die Zeit um 1848. Sicher ist nur, dass der
Sohn und Schneidermeister Bernhardt Fuhlrott im Jahre 1865 den Laden seiner Eltern allein
weiterführte und dort selbstgefertigte Erzeugnisse (= Manufakturwaren) verkaufte. Aus dem
kostspieligen Handel mit Kolonialwaren (Lebensmittel, Genussmittel etc.) war die Familie
bereits vorher ausgestiegen. Diese gab es weiterhin im Nebengebäude zu kaufen, wo die
Mitteldeutsche Lebensmittel-Zentrale GmbH Leinefelde (Milezet) bis 1949 eine
Verkaufsstelle unterhielt.

Nach dem Kaufmännischen Handels- und Gewerbe-Adressbuch für das Deutsche Reich von 1932/33 wurden in dem Geschäft der Familie Fuhlrott weiterhin Manufaktur- und Modewaren angeboten. Als Firmeninhaber ist dort Bernhardt Fuhlrott, ein Sohn des gleichnamigen Schneidermeisters, eingetragen. 1936 übernahm der Schwiegersohn Josef Schmeck die Leitung des Hauses; er war mit Berta Fuhlrott verheiratet. Schmeck baute dort wieder ein Lebensmittelgeschäft auf, welches zudem noch einen Ausschank für Getränke
besaß und führte den Laden elf Jahre lang. 1947 übernahm sein Sohn Heinz Schmeck im
Alter von 25 Jahren den Familienbetrieb. Auf einer Verkaufsfläche von 50 Quadratmetern
wurden nun Lebensmittel, Fisch, Haushaltswaren, Schuhe, Glas, Porzellan und Bekleidung
angeboten. Die fünfköpfige Belegschaft erwirtschafte damit einen Jahresumsatz von 395.000
Mark.


1985-09-04 „Das Volk“

Am 15. Februar 1949 trat Heinz Schmeck mit seinem Unternehmen der neu gegründeten
Konsumgenossenschaft des Kreises Worbis bzw. der örtlichen Konsumgenossenschaft
Leinefelde bei. Auch die nebenan befindliche ehemalige Verkaufsstelle der Milezet GmbH
Leinefelde wurde von der Einzelhandelsorganisation übernommen. Der Beitritt zur
Konsumgenossenschaft hatte große Vor- und Nachteile. Einerseits bedeutete er für Schmeck
das Ende der Selbständigkeit als Familienbetrieb; andererseits vollzog sich nun ein rasanter
wirtschaftlicher Aufstieg.

Ein Artikel aus der Tagespost von 1987.
Die Hauptkreuzung in Leinefelde vor 1996. Ein Ausschnitt aus der Broschüre „775 Jahre Leinefelde“.

Die Verkaufsfläche von 50 Quadratmetern wurde auf 120 Quadratmeter erhöht und das Geschäft konnte sich wieder spezialisieren. Statt Lebensmitteln und Haushaltswaren gab es von nun an nur noch Mode und Textilien. Heinz Schmeck wurde Verkaufsstellenleiter seines einstigen Unternehmens und machte es in den folgenden 35 Jahren weit über die Grenzen des Eichsfelds bekannt. Daran änderte auch der Versuch der Konsumgenossenschaft nichts, den Firmennamen „Schmeck“ in Vergessenheit geraten zu lassen.

Das Geschäft trug über viele Jahre die offizielle Bezeichnung „Konsum-Textil-Verkaufsstelle“. Um die Kunden nicht zu verwirren, wurde in Werbeanzeigen der Name Schmeck in Klammern mit angegeben. Im November 1968 erfolgte dann die Umbenennung in „Konsum-Textilhaus Leinefelde“; auf den Zusatz „(Schmeck)“ wurde jedoch fortan verzichtet. Diese Marketingstrategie der Konsumgenossenschaft schlug völlig fehl. Die Kunden sowie die Leinefelder Bevölkerung redeten auch weiterhin nur von „Schmeck’s“ und jeder wusste, was damit gemeint war. 1968 erhielt das Geschäft einen Erweiterungsbau für Raumtextilien und Meterwaren, so dass sich die Verkaufsfläche von 120 Quadratmetern auf 240 Quadratmetern erhöhte. Mit der Übergabe der neuen Räumlichkeiten am 11. November 1968 etablierte sich für das Hauptgebäude an der Ecke Breitenbacher Straße/Fuhlrottstraße (heute Triftstraße) in der Bevölkerung ein weiterer Name: die „Ecke“.

1947 übernahm Heinz Schmeck im Alter von 25 Jahren den Familienbetrieb. 1984 übergab er dann die Geschäftsleitung an seinen Schwiegersohn Dieter Grzesik.

Das Bild von Heinz Schmeck wurde in der Lokalausgabe „Das Volk“ am 7. Februar 1987 veröffentlicht.

Im September 1984 übernahm Dieter Grzesik die Geschäftsleitung von seinem
Schwiegervater Heinz Schmeck. Grzesik war 1972 ins Eichsfeld gekommen, mit Elfi
Schmeck verheiratet und hatte sich durch seine langjährige Tätigkeit als Spieler des SC
Leinefelde einen gewissen Bekanntheitsgrad erworben. Zum Zeitpunkt der Übergabe der
Geschäftsleitung von Heinz Schmeck auf seinen Nachfolger besaß das Textilhaus rund 50
Mitarbeiter und erwirtschaftete mit Textilien, Teppichen und Gardinen einen Jahresumsatz
von 18 Mio. Mark. Was die Verkaufsfläche angeht, so war diese inzwischen auf 363
Quadratmetern angewachsen.


Mit dem Zusammenbruch der DDR nach dem Mauerfall am 9. November 1989 vollzogen
sich auch im genossenschaftlichen Einzelhandel radikale Veränderungen. Durch die
Schließung vieler Lieferbetriebe und dem anhaltenden Boykott der Verbraucher kämpften die
Verkaufsstellen der Konsumgenossenschaft des Kreises Worbis fortan um ihre Existenz.
Bekleidung und Textilien „Made in GDR“ wollte niemand mehr kaufen, geschweige denn
anziehen.

Die Lage verschlimmerte sich umso mehr, nachdem der Ministerrat der DDR am 1.
März 1990 die Gründung der Treuhandanstalt beschlossen hatte und die Volkskammer am 6.
Juli 1990 das Gesetz zur Entflechtung des Handels in den Kommunen verabschiedete. Nun
waren nicht mehr nur die Verkaufsstellen, sondern die Konsumgenossenschaften als Ganzes
in ihrer Existenz gefährdet. Dieter Grzesik gelang es trotzdem, sein Geschäft wieder in die
Unabhängigkeit zu führen.

Am Mittwoch, dem 7. November 1990, fand unter großem Andrang der Bevölkerung die feierliche Eröffnung des „Textil- und Modehauses Schmeck“ statt. Die Belegschaft war auf 15 Mitarbeiter gesunken und die Verkaufsfläche von 363 Quadratmetern auf 320 Quadratmeter reduziert worden. Zum Warenangebot gehörte nun Bekleidung im mittleren Preissegment für jung und alt, jedoch ohne Kindermoden. Ebenfalls im Sortiment waren Gardinen, Bettwäsche, Oberbekleidung für Damen und Herren sowie Arbeitsbekleidung und Sondergrößen.

1991 konnte das Modehaus Schmeck in der Bahnhofstraße gegenüber vom Kaufhaus Magnet eine Jeans-Boutique eröffnen. In dem Gebäude befindet sich heute ein thailändischer Massagesalon.

Ab 1996 wurde die Breitenbacher Straße grundhaft um- und ausgebaut. Im Zuge dessen
erfolgte der Abriss des aus vier alten Fachwerkhäusern bestehenden Komplexes von der Ecke
Breitenbacher Straße/Triftstraße bis zur Hauptkreuzung der B80 und B247. An der Stelle, wo
nun das neue „Textil- und Modehaus Schmeck“ errichtet wurde, befand sich von 1965 bis
1983 der Volksbuchhandel. Rechts daneben ist bis heute das Blumenhaus Bause ansässig.

Bei dem Neubau in der Bahnhofstraße 1 handelte es sich um ein zweistöckiges Wohn- und
Geschäftshaus, das neben dem „Textil- und Modehaus Schmeck“ auch andere Firmen
beherbergte, darunter die Fastfood-Kette „Subway“, die Krankenkasse AOK sowie eine
Agentur der WWK Versicherungsgruppe. Durch die zentrale Lage und dem weit sichtbaren Schriftzug „Schmeck“ wurde das Modehaus schon bald zu einem heimlichen Wahrzeichen von Leinefelde und beliebten Fotomotiv.

An dieser Ecke stand das alte Textilhaus, heute ist es ein Parkplatz. Im vorderen Bereich das neugebaute einstige Modehaus. Foto: M. Kruppe

Am 9. Mai 1999 starb Heinz Schmeck, so dass das 150jährige Firmenjubiläum auch aus
diesem Grund erst im Jahre 2000 gefeiert werden konnte. Nachdem sein Nachfolger Dieter
Grzesik die Geschäftsleitung des „Textil- und Modehauses Schmeck“ vor einigen Jahren an
seine Tochter Andrea übergeben hatte, glaubte man, die Weiterführung des
Familienunternehmens sei auch in der siebenten Generation gesichert. Doch die anhaltend
negative Entwicklung im Einzelhandel in den letzten Jahren, besonders während der Corona-Lockdown-Phase (2020 bis 2022), aber auch persönliche Gründe dürften den Ausschlag dafür
gegeben haben, den auslaufenden Mietvertrag nicht zu verlängern und das „Textil- und
Modehaus Schmeck“ für immer zu schließen.

Dr. Michael Kruppe

Print Friendly, PDF & Email