Ein Brigadefoto aus längst vergangenen Tagen.

Ein Kapitel Industriegeschichte der Stadt Leinefelde kann man in Kürze zuschlagen. Und zwar das vom Milchhof Leinefelde. Ende der 60er Jahre gab es die ersten Überlegungen zu diesem Industriezweig für die Leinestadt, die bis dahin nur durch die Baumwollspinnerei republik weit von sich reden machte. Das wäre sicher auch so geblieben, hätte es im damaligen Bezirk Erfurt (und sicher darüber hinaus in der gesamten DDR) nicht  Engpässe in der Versorgung mit Milchprodukten gegeben.  

Bis Anfang der 70er Jahre gab es im Eichsfeld Molkereien in Heiligenstadt, Worbis und Großbodungen. Die waren inzwischen in die Jahre gekommen, die Technik veraltet. Um auch den Bedarf an Milcherzeugnissen über die Kreisgrenzen hinaus zu decken, entstanden schon 1969 die ersten Pläne zu einer neuen Molkerei. Doch wo sollte sie entstehen. Ausbaufähig waren die bisherigen Molkereien nicht.So wurde ein neuer Standort gesucht. Zunächst kam Großbodungen  in Frage, doch da passte die Verkehrsanbindung nicht. Die war in Leinefelde ideal und so stand schon bald fest, dass in der Textilstadt ein Milchhof errichtet werden sollte. Auftraggeber war das Milchkombinat Mühlhausen, das zählte zum Verband Milchwirtschaft Erfurt. Die Gesamtkosten einschließlich Außenanlagen beliefen sich auf 44 Millionen DDR-Mark.Hauptauftraggeber war übrigens die ZBO Worbis. Projektiert wurde vom VEB Zentrales Projektierungsbüro Nahrungsgüterwirtschaft Berlin (ZPN) mit einem Projektierungsbüro in Leinefelde. 

Die Planungen dauerten allerdings ein paar Jahre. In alten Unterlagen habe ich eine Einladung gefunden, wonach am 7. Oktober 1974 die Grundsteinlegung erfolgte. Handschriftlich war aber darauf vermerkt, dass die Presse nicht eingeladen werden sollte und die Grundsteinlegung in aller Stille zu vollziehen wäre. Warum, ist noch nicht klar. Es könnte sein, dass zu Ehren des 25. Geburtstages der DDR die Grundsteinlegung unbedingt vollzogen werden sollte, aber die Planungen waren längst noch nicht abgeschlossen. Erst Mitte 1975 kam Bewegung in die Sache. Zunächst entstand die Bauarbeiterunterkunft, die später dann das Ledigenwohnheim wurde, alles Einraumwohnungen mit Dusche und WC, Heizung und Warmwasser. 

Das Hochhaus, wo wir uns jetzt befinden, sollte viel kleiner ausfallen, es war mit zwei, max. drei Etagen vorgesehen. Es ist aber kein Verwaltungshaus gewesen, wie manche glauben, sondern ein Produktionsvorbereitungsgebäude, in dem das Lehrlingswohnheim, Labore, Umkleideräume für Männer und Frauen, Büros, Arztzimmer und alles, was mit solch einem Milchhof verwaltungsmäßig zu tun hatte, untergebracht war. Im Keller gab es sogar einen Luftschutzraum, aber auch eine Sauna für die Mitarbeiter. Der Speiseraum hatte 128 Plätze. Er konnte auch für Veranstaltungen genutzt werden. 

Produktionsbeginn war im Juli 1977 mit zunächst 180 Mitarbeitern, später stieg die Zahl auf 280 an. Gearbeitet wurde in der Produktion im Schichtsystem. Zu den Produkten neben Milch und Milchmischgetränken gehörten Milchpulver, Joghurt, Kondensmilch. Die Milch wurde zum größten Teil in Plastikbeutel angeboten, die aber auch schnell kaputt gingen. Der Joghurt kam am Anfang  in Viertel-Liter Flaschen, da es hier an der Verpackung  (Plastikbechern) mangelte. Viele erinnern sich sicher noch an die leichten Aludeckel.

Das einstige Vorhaben Kondensmilch zu produzieren, konnte nicht verwirklicht werden.Die Kondensmilchanlage hätte importiert werden müssen, das hat wohl nicht geklappt.  Als “Ersatzmaßnahme” für den Leinefelder Milchhof wurde deshalb eine Weichkäserei für Camembert und Brie aufgenommen, die als zweiter Bauabschnitt folgte. 

1989 gab es noch Pläne, die Weichkäserei zu modernisieren und zu erweitern. Die Pläne wurden jedoch nicht mehr umgesetzt. Gleich nach der Wende wurde der Milchhof für rund 900 000 DM verkauft an Westmilch. 

Ilka Kühn

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