Pünktlich zum 30. Todestages des Künstlers Prof. Friedrich Press und dem 30. Jubiläum der Einheit Deutschlands hat das Kulturbüro des Rates der EKD (Ev. Kirche Deutschlands) in Berlin das Projekt „Land; Gut 2020“ ins Leben gerufen. In diesem Projekt geht es um kreative Teilhabe und kulturell inspirierende Gemeinschaft auf dem Land, also um Kunst und Kultur in ländlichen Regionen.
Oft ist man sich der kulturellen Schätze im eigenen Umfeld gar nicht richtig bewusst, so selbstverständlich sind sie. Da ist es gut, wenn solch ein Impuls von außen kommt, der den Finger erhebt und sagt: „Schaut mal, welches Kulturgut in eurer Gemeinde beheimatet ist!“
Mitte der 60ger Jahre, wenige Jahre nach dem Zweiten Vatikanische Konzil spürte man Aufbruchstimmung in der Kirche und den Ruf nach Veränderung. In einem neuen Kirchenbild sah sich die Kirche als Haus Gottes und als Haus der Gemeinde gleichermaßen. Diesen Ruf hörte man auch hier in Bischofferode.
Die Kirche bedurfte einer umfangreichen Renovierung, denn die neugotische Ausstattung des Altarraumes war im Laufe der Zeit Opfer von Holzwürmern geworden. Pfarrer und Verantwortliche in der Kirchengemeinde sahen in dieser Neugestaltung neben Arbeit und Kosten auch eine Chance. Unter Federführung des damalige Ortspfarrers Meinolf Dunkel und mit Unterstützung fachkompetenter Gemeindemitglieder wandte man sich an den Dresdener Künstler Friedrich Press, dessen Arbeitsschwerpunkt in Sakralkunst und Kirchenraumgestaltung lag.
Friedrich Press, ausgebildeter Holz- und Steinbildhauer der als freischaffender Künstler vorwiegend an christlichen Themen arbeitete, zählt zu den bedeutendsten deutschen Bildhauern des 20. Jahrhunderts. Er war aber auch ein Künstler, der es dem Betrachter seiner Werke nicht leicht macht, der Sehgewohnheiten in Frage stellt und dessen Kunst die Meinungen spaltet. Er abstrahierte und reduzierte mit der Absicht, zum Denken anzuregen. Grundwahrheiten menschlicher Existenz, Glaube, Zweifel, Schmerz, Liebe, Trauer und Freude setzte er in abstrakte Kunst um. Friedrich Press gestaltete über 40 Kirchen, vorwiegend in der DDR.
Eines seiner international bekanntesten Werke ist die Pietà, die größte Skulptur, die je aus Meißner Porzellan hergestellt wurde, in der Katholischen Hofkirche (Kathedrale) in Dresden.
Für das Gotteshaus in Bischofferode hatte er die Idee, den Chorraum dem Geheimnis der heiligen drei Tage (Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern) zu widmen. Die höhere Abgrenzung des Altarraumes sollte an den Garten Getsemani erinnern, der Altar die Tischgemeinschaft des letzten Abendmahls Jesu mit den zwölf Aposteln am Gründonnerstag andeuten. Aber dominierend im Raum sollte die überlebensgroße Gestalt des gekreuzigten Christi sein, mit den stark abstrahierten Wunden, die die göttliche Liebe verdeutlichen.
Friedrich Press bekam den Auftrag. Das ist jetzt 50 Jahre her und noch immer scheiden sich die Geister an den Darstellungen des Expressionisten Press. In einer Abendveranstaltung unter Leitung des Projektleiters vom Kulturbüro der EKD Klaus -Martin Bressgott waren die Gemeindemitglieder eingeladen, noch einmal zurückzuschauen, auf das Wachsen und Werden ihrer Kirchenkunst, die künstlerischen Darstellungen zu betrachten und sich mitnehmen zu lassen, in die künstlerische Ausdrucksweise seines Glaubens.
Viele Erinnerungen wurden wach. Neben den Befürwortern gab es nicht nur Zustimmung und nette Meinungsäußerungen. „Vor Holzklötzen kann man doch nicht mit Andacht beten“, „das passt überhaupt nicht ins Eichsfeld“, „Da hat man gar keine Lust mehr in die Kirche zu gehen“, „Das soll Kunst sein?“, waren nur einige Stimmen, die damals laut wurden.
Dennoch war das Interesse groß und die Bischofferöder fassten zu, halfen und spendeten viel Geld, um diesen Kunstwerken in ihrer Kirche eine bleibende Heimat zu geben. Für Friedrich Press, der schon im Rentenalter war und alles selbst behauen hat, war diese Arbeit eine seiner körperlich schwersten Arbeiten, die er je gemacht hat. Pünktlich zum Patronatsfest Maria Geburt 1972 wurde das Kreuz in der Kirche aufgestellt.
So manch älterer Mensch erinnerte sich daran, dass man zunächst dachte, das wäre nur das Gerüst und warteten auf das richtige Kreuz. Bischof Hugo Aufderbeck, der damals die Weihe vornahm, sagte anerkennend: „Das war ein gewagtes aber gut gelungenes Unternehmen“.
Ein halbes Jahr später ergänzte die von F. Press geschaffene Marienstatue das Kunstwerk. Jetzt, nach fast 50 Jahren kann man sagen, dass sich die meisten Kirchenbesucher mit der Kunst im Altarraum arrangiert haben. Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten und noch immer tut sich manch einer schwer mit der Liebe zur Kunst, egal, ob er aus der Stadt oder vom Land kommt.
Friedrich Press, der zu Widerspruch und zum Nachdenken anregen wollte, wäre glücklich, wenn er wüsste, dass heute noch diskutiert wird und dass sich heute noch Gemüter an seinen Werken erhitzen. Wir alle können uns glücklich schätzen, solch eine künstlerische Besonderheit hier im Eichsfeld zu haben. Nicht nur mit Eichsfelder Spezialitäten, sondern auch mit dieser außergewöhnlichen sakralen Kunst können wir über die Region hinaus touristisch werben. Gisela Reinhardt